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Verzahnung ja! Bürokratie nein!

Verzahnung von Theorie und Praxis

Die vielen Kommentare auf den Beitrag Entzug der Fahrschulerlaubnis wegen Nichtverzahnung von Theorie und Praxis haben uns gezeigt, dass das Thema die Fahrlehrerschaft bewegt. Wir bedanken uns für die spannende Diskussion, die wir mit großem Interesse verfolgt haben und möchten nun im Folgenden gerne unsere Auffassung darstellen und erläutern.

Trennung von inhaltlicher und zeitlicher Verzahnung

Wir haben festgestellt, dass in der allgemeinen Diskussion sehr häufig keine scharfe Trennung zwischen zeitlicher und inhaltlicher Verzahnung gemacht wird. Diese Unterscheidung ist jedoch für das Verständnis von großer Bedeutung.

Beispiele für zeitliche Nichtverzahnung

Hier zunächst eine Aufzählung von Beispielen aus der Praxis, bei denen eine zeitliche Verzahnung nicht stattfindet.

  1. Fahrschüler beginnt im Oktober mit der theoretischen Ausbildung Klasse A. Aufgrund der Witterung ist eine praktische Ausbildung nicht möglich. Der Fahrschüler drängt auf Abschluss der theoretischen Ausbildung noch in diesem Jahr. Die praktische Ausbildung wird erst im Frühjahr des folgenden Jahres durchgeführt.
  2. Die theoretische Ausbildung wird im Rahmen eines Ferienkurses im Blockunterricht in ca. 7-10 Tagen durchgeführt. Direkt im Anschluss wird die praktische Ausbildung durchgeführt.
  3. Ein Förderer (z.B. Arbeitsamt, Rentenversicherung, Arbeitgeber) gewährt die Leistungsübernahme unter der Bedingung, dass die praktischen Ausbildungsfahrten erst dann durchgeführt werden, wenn die theoretische Prüfung bestanden wurde. Er will dadurch für den Fall des Scheiterns Kosten sparen.
  4. Ein Fahrschüler kommt nur unregelmäßig in größeren Abständen zum Theorieunterricht und weigert sich Fahrstunden zu nehmen.
  5. Ein Fahrschüler schließt die Ausbildung für die Klasse A1 mit 16 Jahren ab. Anschließend beginnt er die Ausbildung für die Klasse B „Begleitetes Fahren“. Bei seiner Theorieausbildung Klasse B wird der Grundstoff um 6 frei auszuwählende Themen reduziert, so dass dann in diesen Teilbereichen keine zeitliche Verzahnung stattfinden kann.
  6. Bei Erweiterungen von Fahrerlaubnis-Klassen kann der Bewerber auch nach vielen Jahren den Grundstoff um 6 frei auszuwählende Themen reduzieren, so dass dann in diesen Teilbereichen keine zeitliche Verzahnung stattfinden kann.

Die verschiedenen Auffassungen zur Verzahnung in der Literatur

Bouska / May Fahrlehrerrecht 12. Auflage 2012

In den Erläuterungen zu § 2 Absatz 1 Nr. 2b FahrschAusbO steht hierzu:

„theoretische und praktische Ausbildung sollen im Wesentlichen parallel verlaufen.“

In den Erläuterungen zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 FahrschAusbO steht:

„Während § 2 Satz 2 die zeitliche Verknüpfung beider Ausbildungsbestandteile betrifft, bezieht sich Satz 1 auf die inhaltliche Verzahnung.“

Diese Aussagen werden jedoch u.a. dadurch relativiert, dass eine zeitliche Verzahnung z.B. dann nicht zwingend notwendig sein soll, wenn der Fahrschüler witterungsbedingt die praktische Ausbildung für die Klasse A nicht absolvieren kann.

Dr. Dauer „Fahrlehrerrecht“ 1. Auflage 2009

In Erläuterung Nr. 3 zu § 2 Absatz 1 FahrschAusbO steht:

„Beide Teile sollen im Verlauf der Ausbildung miteinander verknüpft werden (Abs. 1 S. 2). Die beiden Ausbildungsteile sind nicht nur inhaltlich und didaktisch aufeinander zu beziehen, sondern sie müssen darüber hinaus auch organisatorisch verbunden werden. Die Verknüpfung ist nur möglich, wenn theoretische und praktische Ausbildung im Wesentlichen parallel erfolgen, damit in beiden Teilen jeweils auf den anderen Bezug genommen werden kann und der Fahrschüler gewonnene Erkenntnisse aus dem einen Teil in dem jeweils anderen Teil anwenden kann.“

In Erläuterung Nr. 4 steht dann:

„Aus den Wörtern „im Verlauf der Ausbildung„ wird deutlich, dass dies nicht während der gesamten Fahrausbildung erforderlich ist. Am Beginn der Ausbildung kann somit, allerdings nur für einen sehr begrenzten Zeitraum der Ausbildung mit einem der beiden Ausbildungsteile begonnen werden, ohne dass der andere Teil zeitgleich stattfindet. Dass die theoretische Fahrerlaubnisprüfung vor Abnahme der praktischen Fahrerlaubnisprüfung bestanden sein muss (§ 17 Abs.1 S. 4. FeV) und zwei Monate früher als die praktische Fahrerlaubnisprüfung abgelegt werden kann (§ 16 Abs.3 S. 2, § 17 Abs.1 S. 4 FeV) führt dazu, dass die theoretische Ausbildung im Allgemeinen früher abgeschlossen wird, als die praktische Ausbildung. Die Vorgabe des Abs.1 S. 2 beide Ausbildungsteile miteinander zu verknüpfen, muss aber während des weitaus größten Zeitraums der Ausbildung eingehalten werden, wenn diese Vorgabe einen Sinn haben soll. Unzulässig ist es somit z.B., zuerst die theoretische Ausbildung im Block durchzuführen und erst danach mit der praktischen Ausbildung zu beginnen, weil dann die durch Abs. 1 S. 2 vorgegebene Verknüpfung nicht möglich ist.“

Heiler/ Jagow/ Tschöpe „Führerschein“ 8. Auflage 2012

In der Erläuterung Nr. 5.8 steht:

„Der praktische Unterricht ist systematisch aufzubauen. Er ist ferner auf die theoretische Ausbildung zu beziehen und inhaltlich mit dieser zu verzahnen (§ 5 Abs. 1 FahrschAusbO). Gemeint ist die inhaltliche, nicht aber die zeitliche Verzahnung der beiden Unterrichtsarten.“

Zwischenfazit

Die unterschiedlichen Auffassungen der Kommentatoren und dem entsprechend auch die der Behörden und Gerichte zeigen, dass hier eine Klärung notwendig ist, damit die Fahrschulinhaber wissen wie sie sich zu verhalten haben, um rechtliche Konsequenzen, welcher Art auch immer, vermeiden zu können.

Unsere Auffassungen

  1. Die inhaltliche Verzahnung ist wichtig und sinnvoll und wird von der Fahrlehrerschaft auch befürwortet und gelebt.
  2. In den meisten Fällen findet auch eine zeitliche Verzahnung statt.
  3. § 2 und § 5 FahrschAusbO verlangen nach ihrem Wortlaut nicht zwingend eine zeitliche Verzahnung.
  4. Eine zeitliche Verzahnung gewährleistet nicht im Mindesten eine inhaltliche Verzahnung.
  5. Eine inhaltliche Verzahnung ist ohne weiteres auch bei einer nicht zeitlich verzahnten Ausbildung möglich.
  6. Sollte der Verordnungsgeber eine stringente zeitliche Verzahnung wünschen, müsste er diese explizit regeln, damit jeder Fahrlehrer genau weiß, wie er die Ausbildung einzuteilen hat, um mögliche Konsequenzen vermeiden zu können. (Vgl. Bestimmtheitsgebot)
  7. Jede stringente gesetzliche Regelung über eine zeitliche Verzahnung würde den praktischen Bedürfnissen nicht gerecht werden. Für jede Abweichung müssten Ausnahmegenehmigungen beantragt werden, was zu einem völlig unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand führen würde.
  8. Würde der Verordnungsgeber vorschreiben, dass spätestens nach der Hälfte der theoretischen Ausbildung mit der praktischen Ausbildung zu beginnen wäre, so wie es in dem betreffenden  Vergleich festgelegt wurde, hätte er damit keinerlei Gewährleistung, dass inhaltlich verzahnt wird. Denn dieser Vergleich verlangt lediglich, dass mindestens eine Fahrstunde nach der Hälfte der theoretischen Ausbildung durchgeführt wird. Ob in dieser einen Fahrstunde dann inhaltlich verzahnt wird, bzw. je nach Inhalt des absolvierten Unterrichts überhaupt verzahnt werden kann, darf stark bezweifelt werden. Es handelt sich hier eher um den hilflosen Versuch bei der Überwachung wenigstens einen Anhaltspunkt zu haben.
  9. Die inhaltliche Verzahnung unterliegt der pädagogischen Freiheit der Fahrlehrer ähnlich wie z.B. die „didaktische Reduktion“ oder die „exemplarische Vertiefung“.

Fazit

Wir fordern daher, dass die inhaltliche Verzahnung bei der Überwachung nicht aufgrund mangelnder zeitlicher Verzahnung beanstandet werden darf. Es darf auch nicht sein, dass die Fahrschule jede zeitliche Nichtverzahnung dokumentieren und begründen muss, da sie wie oben dargelegt keinen Hinweis auf eine inhaltliche Verzahnung gibt.

Den wesentlichen Inhalt dieses Expertentipps haben wir gemeinsam mit dem BDFU e.V. (Bundesverband Deutscher Fahrschulunternehmen) besprochen. Der BDFU wird den Sachverhalt auf ministerieller Ebene klären.  Selbstverständlich werden wir Sie darüber in einem neuen Expertentipp benachrichtigen.

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Autor:
Datum: Donnerstag, 7. März 2013 16:40
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Ein Kommentar

  1. 1

    Hallo,

    ich finde es einfach nur schön. Bundesverband Deutscher Fahrschulen nett. Was fällt hier eigentlich auf? Es geht hier gar nicht mehr um die Fahrausbildung. Es geht hier nur noch um eine einzige Sache, dass beweist mir auch die Haltung und Äußerung des Fahrlehrerverbandes NRW. „Wenn man das so auslegt, müsste man die meisten Fahrschulen schließen“
    Eine “ ein Mann“ Fahrschule die ca. 50 Schüler in der Ausbildung hat, kann gar nicht nach der FahrschAusbO handeln, das geht von der Fahrstundenzeit nicht.
    Fazit: Einen Fahrlehrer einstellen, ist aber zu teuer. Oder Schüler ablehnen. Was Umsatz und Verdienst stark reduziert. Das liegt nicht im Interesse der Unternehmen und somit auch nicht im Interesse von Unternehmensverbände. Somit steht die Geldgier wieder über der Sicherheit. TOLL.
    Unsere Auffassung Punkt 7. mit Ausnahmen beantragen ist Blödsinn, das kann man einfach klären, z. B. Attest in die Schülerunterlagen.

    Liebe Fahrschulinhaber, wenn ihr so wie früher reich werden wollt, müsste euch schon aufgefallen sein, dass es heut zu Tage nicht mehr möglich ist. Vielleicht sollte man sich dann um orientieren?
    Mal einfache Fragen an alle. Wie habt ihr früher eure Fahrausbildung und Prüfungen gemacht? Theoretische und Praktische Prüfung an einem Tag? Wie war das möglich?
    Und heute? An der FahrschAusbO hat sich so nicht viel geändert.

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